Man
könnte schon mal den Überblick verlieren – neben die Unterscheidung künstlicher
und menschlicher Intelligenz treten noch mehr Unterscheidungen von menschlicher
Intelligenz. Nachdem der IQ jahrzehntelang der einzige Maßstab für Intelligenz
war, dann die emotionale Intelligenz und ihr Quotient, der EQ, durch die
HR-Abteilungen „getrieben“ wurde, ist nun auch noch die Rede von Spiritueller
Intelligenz. Das klingt nach esoterischem Schnick-Schnack, Schweige-Retreats
und Meditationskursen. Mag sein, und das Googeln des Begriffs zeigt in der Tat:
Vor esoterischen Übergriffen ist kein Thema gefeit. Hinzu kommt, dass auch in
der Psychologie der Intelligenzbegriff stärker differenziert wird und deshalb
sich zunehmend mit dem Kompetenzbegriff überlappt, ohne dass allerdings ein beide
Begriffe verbindendes Verständnis in Aussicht steht.
Lassen
wir die akademische Diskussion sein und einigen uns fürs Erste darauf, dass
Intelligenz etwas mit dem Erkennen von Zusammenhängen und der Fähigkeit zu
einer effektiven Problemlösung zu tun hat. Beim IQ wäre dies beispielsweise das
kognitive, linear-kausale Denken, bei der emotionalen Intelligenz dagegen etwa
Empathie und soziale Verträglichkeit. Spirituelle Intelligenz hingegen – gerne
in Anlehnung an EQ mit SQ abgekürzt – steht für das Denken in Werten, großen
Sinnzusammenhängen, unterschiedlichen Reflexionsperspektiven, Hoffnungen und
Visionen für eine gewünschte Zukunft. Hirnforscher haben festgestellt, dass für
alle drei Intelligenzformen jeweils andere Hirnareale aktiviert werden.
Eine
der bekanntesten Forscherinnen auf diesem Gebiet ist Danah Zohar, Physikerin,
Hirnforscherin und Philosophin, die am MIT und in Harvard studiert hat und in
Oxford lehrt. Nach ihrer Einschätzung sind diese drei Intelligenzformen
miteinander verknüpft und jeweils für bestimmte Formen von „Problemlösung“
zuständig. Während uns das linear-kausale Denken bei rational-logischen
Entscheidungen hilft, kann emotionale Intelligenz vor allem durch assoziatives
Denken bei der gelingenden Gestaltung von Beziehungen helfen. Spirituelles
Denken hingegen hat holistischen Charakter; mit ihm sind wir in der Lage, auf
eine reflektierende Metaebene zu gehen und grundsätzliche Fragen nach Sinn, dem
großen Ganzen, zu stellen (Danah Zohar).
Das
passt zu Studienergebnissen weiterer Forscher wie Professor Mathias Schüz von
der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Unter der spirituellen
Intelligenz versteht er z. B. die Herausbildung von ethischen Maßstäben und
die Fähigkeit zur Transzendenz unseres Daseins anzustreben. Es geht dabei nicht
um eine bestimmte Religiosität oder einen bestimmten Gott, sondern eher um spezifische
Erfahrungen, wie wir uns und unsere Umwelt wahrnehmen, spüren und erkennen (Mathias Schüz).
Diese Art des „abgehobenen“ und „ungeplanten“ Denkens ist auch im Wesentlichen
verantwortlich für unsere Kreativität. Wir alle haben die Erfahrung von
erstaunlichen Ideen, die plötzlich als „Eingebung“ zu ungewöhnlichen
Zeitpunkten an ungewöhnlicher Stelle vor unserem inneren Auge auftauchen. Genau
aus diesem Grund versuchen Kreativitätstechniken Umfelder zu schaffen, die
diese Art des Denkens unterstützen.
Die
Methoden zur Messung des IQ ist den meisten bekannt, es geht um sachlogisch zu
lösende Aufgaben. Auch für den EQ gibt es mittlerweile wissenschaftlich valide
Testverfahren, die an mehreren emotional relevanten Kompetenzen ausgerichtet
sind. Für Spirituelle Intelligenz (SQ) liegen diese noch nicht vor, allerdings
wird von Wissenschaftlern daran gearbeitet und es ist bereits sehr deutlich,
was spirituelle Intelligenz ausmacht und woran sie festgemacht werden kann.
Dohah Zohar hat zwölf Merkmale herausgearbeitet, dazu gehören u. a. bewusste
Selbstwahrnehmung, Empathie, ganzheitliches Wahrnehmen und Erfahren der Welt sowie
Demut (Danah Zohar). Ebenso sind sich Forscher
einig, dass Spirituelle Intelligenz trainiert werden kann, z. B. durch
Meditation und Achtsamkeitsübungen, Naturerfahrungen, aber auch durch bestimmte
Dialog- und Reflexionsformen.
Was
hat das nun mit Führung zu tun? Zunächst ganz praktisch: In Studien wurde
herausgearbeitet, dass nachhaltig erfolgreich Karrieren vor allem auf drei
Faktoren beruhen: gutes Fachwissen, ein gutes Beziehungsnetz und
Orientierungs-/Reflexionskompetenz, also das gelungene Zusammenspiel von IQ, EQ
und SQ. Mit spiritueller Intelligenz lässt sich jedoch in der Führung vor allem
das eigene Wirkungsfeld reflektieren und der Blick für das große Ganze
schärfen, sie kann sinnstiftend wirken. Gerade der „Sinn“ von Projekten,
Abteilungen, Bereichen und Organisationen spielt für die Motivation und die
Aktivierung von Mitarbeitern eine große Rolle.
Führungskräfte
haben meist schnell eine Antwort auf die Frage „Aufgrund welcher Ursache tun
wir das?“ (rückwärtsgewandte Sicht). Spirituelle Führung gibt jedoch eine
Antwort auf die Frage „Wozu hilft uns das“ (vorwärtsgewandte Sicht). Frei nach
Friedrich Nietzsche und Victor Frankl lässt sich mit einem Wozu nahezu jedes
Wie und Was ertragen, was gerade in Zeiten stürmischer Veränderung sehr wichtig
ist. Das alles ist jedoch nur nachhaltig, wenn eine „Intellektuelle
Redlichkeit“ dahintersteht. Das heißt vor allem eine klare innere Haltung
basierend auf Werten wie Anstand, Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit. Führung, und Unternehmensführung,
erhält damit die ganzheitliche Dimension, die ihr zusteht – Verantwortung für
das Unternehmen, den Gewinn, die Mitarbeiter und andere Stakeholder, aber auch
Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und unserer gemeinsamen Umwelt.
WZ 06/19 -->
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